Antrittsrede Claudia Arpa, Bundesrat, Wien, 13.07.2023
Hohes Haus, geschätzte Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundesrat sehr verehrte Ehrengäste, geschätzter Herr Landeshauptmann, liebe Zuseherinnen und Zuseher
Voller Freude, aber auch mit großem Respekt stehe ich heute hier, um als Vertreterin Kärntens im österreichischen Parlament, dem Herzstück unserer Demokratie und einem Ort der Begegnungen, als Präsidentin des österreichischen Bundesrates Verantwortung zu übernehmen.
Ich bedanke mich beim Landeshauptmann Peter Kaiser und dem Kärntner Landtag für das in mich und meine Kärntner Bundesratskolleginnen und Kollegen gesetzte Vertrauen.
Danke auch dem vorherigen Präsidenten aus dem Burgenland, Günther Kovacs für seine sehr wertschätzende Präsidentschaft und für sein besonderes Engagement hinsichtlich „Gesundheit und Pflege“.
Ein Dank gilt auch meiner Familie, die mich immer unterstützt.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Der Bundesrat wird nun erstmals seit seinem Bestehen von drei Frauen geführt. Es ist mir eine besondere Ehre und Freude, hier in diesem Haus, gemeinsam mit den beiden Vizepräsidentinnen Margit Göll und Doris Hahn heute dieses wichtige Zeichen in Richtung Gleichberechtigung zu setzen. Auch Ihnen geschätzte Vizepräsidentinnen danke bereits jetzt für Ihre Bereitschaft und die konstruktive Zusammenarbeit.
Mit diesem Präsidium wollen wir Vorbild sein und Mut machen, damit viele Mädchen den Wunsch haben, in die Politik zu gehen und zahlreiche weitere Frauen als Bundesrätinnen und auch als Präsidentinnen folgen werden. Und gestatten Sie mir einen Blick in die Geschichte – bereits 1927, also vor 96 Jahren stand mit Olga Rudel-Zeynek erstmals eine Frau an der Spitze des Bundesrates. Sie war überhaupt die erste Parlamentspräsidentin weltweit.
Dass wir uns aber so über ein erstmals vollständig durch Frauen besetztes Präsidium freuen, zeigt uns aber auch, dass die Gleichstellung von Frauen noch immer nicht selbstverständlich ist und es auch in unserem Land noch viel zu tun gibt.
„Denn Gleichberechtigung und Chancengleichheit sind noch lange keine Selbstverständlichkeit. Nicht nur als neue Präsidentin des österreichischen Bundesrates, sondern auch als Mutter von drei Töchtern wünsche ich mir, dass Mädchen und junge Frauen in einem Umfeld aufwachsen können, in der es eine Selbstverständlichkeit ist, dass sie ihre Talente leben können, jenen Weg gehen können, den sie für den richtigen halten und alle Menschen gleiche Chancen haben.“
Geschätzte Damen und Herren,
Es ist erfreulich, dass heute junge Menschen aus allen sozialen Schichten in Österreich, Chancen, Möglichkeiten und Perspektiven für ihre Zukunft finden, aber es ist auch Fakt, dass einige mehr profitieren als andere und manche junge Menschen hoffungsvoller in die Zukunft blicken können als andere. Und das führt uns vor Augen, dass Chancengleichheit noch lange nicht für alle erreicht ist.
Ich möchte dazu meine Geschichte erzählen, denn nur durch den freien Zugang zur Bildung wurde der Startschuss dafür gelegt, dass ich heute als Bundesratspräsidentin vor ihnen stehe.
Ich selbst komme aus einer kleinen Landgemeinde und erinnere mich, dass eine höhere Schulbildung eher die Ausnahme als die Regel war und ein ausgefallener Berufswunsch für viele von uns etwas Unerreichbares darstellte.
Dass bessere und vielfältigere Aus- und Schulbildung möglich wurde, verdanken wir vor allem Politikerinnen und Politikern, die in den 1970er Jahren mit Weitblick gehandelt haben. Sie waren es, die den Zugang zu Bildung und Universität ermöglichten und so auch Menschen wie mir, unabhängig von der Herkunft und Bildung der Eltern, neue Perspektiven gaben. Sie stellten sich den großen Herausforderungen ihrer Zeit und begannen so, unser Land zu einem gerechteren Ort für künftige Generationen zu machen.
Ein Weg, der noch lange nicht zu Ende ist. Ein Weg auf dem wir in den letzten Jahrzehnten, vielleicht auch das eine oder andere Mal falsch abgebogen, oder sogar ein Stück zurück gegangen sind.
„Klimawandel, hohe Inflation, Energiekrise. Mit diesen Themen ist unsere Gesellschaft aktuell konfrontiert und das sind auch die Themen mit denen wir Politikerinnen und Politiker uns auseinander setzen müssen.“
Wir tragen die Verantwortung, uns diesen Herausforderungen zu stellen. Es ist unbestritten, dass Krisen eine erhebliche Belastung für unsere Gemeinschaft darstellen. Sie bedrohen Stabilität, Sicherheit und das Wohlergehen der Menschen in unserem Land und weltweit. In solchen Zeiten ist des daher von entscheidender Bedeutung, effektive Lösungen zu entwickeln, um die Auswirkungen für die Menschen zu minimieren und die drängenden Fragen der Zukunft entschlossen und vor allem wissenschaftlich fundiert zu beantworten!
Denn wir wissen, am schwersten treffen diese Verwerfungen durch äußere Umstände Familien mit Kindern, Alleinerziehende und oftmals Frauen, sowie Beschäftigte in schlecht bezahlten Berufen. Ihnen fehlen die Mittel und Möglichkeiten, um sich aus dem negativ-Kreislauf, der durch die Teuerung in Gang gesetzt wurde, zu befreien.
Sie sind es, die jetzt wieder bei der Bildung und der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sparen müssen und deren Perspektiven und Möglichkeiten damit weniger und kleiner werden.
Die Erfahrung von Armut prägt Kinder ihr ganzes Leben lang. Arm zu sein bedeutet häufig, gerade noch die wichtigsten Grundbedürfnisse ausreichend decken zu können, wenn überhaupt. Was aber nicht mir möglich ist, ist die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Eltern können ihren Kindern keine Ferienbetreuung und einen schönen Sommer ermöglichen. Sie würden ihren Kindern gerne gesündere Lebensmittel kaufen aber diese sind zu teuer. Nachhilfe, wenn es in der Schule nicht gut läuft, wird unleistbar und die Bildungskarriere dadurch wesentlich schwieriger. Der Besuch im Freibad, ein Film im Kino, oder das Taschengeld, um am Wochenende mit Freund*innen ausgehen zu können fehlt, Mobilität oder eigene vier Wände sind oft unerreichbar. Diese Armut versteckt sich in den eigenen vier Wänden. Kinder, für die sich die Eltern kostenpflichtige Schulveranstaltungen nicht leisten können werden krank gemeldet.
Wir kennen die Zahlen, in Österreich betrifft dass 353.000 Kinder in 2022 von Armut und Ausgrenzung betroffen waren.
Die so erlebten Ungleichheiten prägen Kinder, sie setzen sich in der Bildung und sogar im Gesundheitswesen, sowie später vielfach in der Arbeitswelt fort. Armut wird in Österreich vererbt und das dürfen wir nicht zulassen – im Sinne all jener Kinder, für die und mit denen wir heute das Morgen gestalten.
Geschätzte Damen und Herren,
Nur gemeinsam und im Konsens können wir den Krisen und Herausforderungen unserer Zeit entgegen treten und niemanden, insbesondere keine jungen Menschen zurücklassen.
„Für meine Präsidentschaft habe ich deshalb das Thema „Kindern Perspektiven geben“ gewählt, denn es ist mir wichtig, dass wir auch heute wieder junge Menschen mitnehmen, um mit ihnen und für sie, unser Land gemeinsam noch chancenreicher und lebenswerter zu machen.“
Gerade Kärnten zeigt vor, für Familien ein attraktives Bundesland zu sein und diese zu entlasten. Mit dem von Landeshauptmann Peter Kaiser initiierten neuen Kinderbildungs- und –betreuungsgesetz, mit dem u.a. der Zugang zu Kindertagesstätten und Kindergärten ab Herbst gratis wird, wurde nicht nur die größte Reform im Bereich der Elementarpädagogik seit 1945 eingeleitet, sondern ein vorzeigbares Modell entwickelt, das jungen Familien eine Hilfestellung ist und das Bundesland als kinder- und familienfreundlichen Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsstandort positioniert.
Der Gratis Zugang zu Kindertagesstätten und Kindergärten ist ein wichtiger Meilenstein für die Bildung von Kindern und zwar in Stadt und Land. Dieses Beispiel möchte ich auch über die Kärntnern Grenzen hinaustragen und gleichzeitig Impulse und Anregungen aus anderen Österreichischen und Europäischen Regionen einfließen lassen.
Wir möchten so gesehen für die Zukunftsperspektiven unserer Jugend Vorbild, Botschafter und Wegbreiter sein.
„Sorgen wir gemeinsam dafür, das Leben der Familien in Österreich so zu gestalten, dass alle Kinder und Jugendlichen ohne Sorgen und mit gleichen Chancen aufwachsen können. Als starker Staat sorgen wir dafür, dass Kinder aus der Armut kommen und Familien trotz Kindern nicht in finanzielle und ökonomische Notsituationen kommen.“
Jede Zuwendung, die wir in unsere Jugend investieren, macht sich später um ein Vielfaches bezahlt. Es ist belegt, dass jeder Euro, der in die frühe Bildung investiert wird, achtfach wieder in der Wirtschaft ankommt.
Oder wie es John F. Kennedy so treffend ausdrückte:
„Es gibt nur eines, das auf lange Sicht teurer ist als die Investitionen in Bildung und Kinder – nämlich keine Investition in Bildung“.
Armutserlebnisse in der Kindheit führen auch zu mangelndem Vertrauen in unsere Gesellschaft und unsere Demokratie. Denn Benachteiligung und Ausgrenzung bedeuten auch, weniger Teilnahme an den demokratischen Prozessen in unserem Land. Es bedeutet, nicht teil zu nehmen, nicht mitzureden und nicht mit zu entscheiden, obwohl man von den Entscheidungen in demokratischen Prozessen betroffen ist. Das führt in letzter Konsequenz zu Perspektivlosigkeit und einem Gefühl der Machtlosigkeit die eigene Zukunft mitzugestalten.
Wir dürfen unsere jungen Menschen in Österreich nicht an die Armut verlieren, sondern sie für die Demokratie begeistern.
Aus gutem Grund wurde das Wahlrecht in Österreich auf 16 Jahre gesenkt, denn die Teilnahme junger Menschen an demokratischen Prozessen ist wichtig. Es ist unsere Aufgabe, den Wert dieses Wahlrechts zu vermitteln, damit auch die nächsten Generationen in Meinungsfreiheit und Vielfalt friedlich zusammenleben können, trotz der vielen Unterschiede, die eine Gesellschaft ausmachen.
Maßnahmen in die Bildung und die Betreuung von Kindern und Jugendlichen führen zu gut ausgebildeten, Menschen, die sich engagiert in die Gestaltung unserer Gesellschaft einbringen können.
„Denn unsere Demokratie braucht selbstbewusste Menschen, die Verantwortung übernehmen und sich für ein gutes Miteinander einsetzen, und auch wir Politikerinnen und Politiker müssen unsere Demokratie immer wieder mit neuem Leben erfüllen.“
Der Bundesrat fungiert nicht nur als Europakammer sondern insbesondere auch als Zukunftskammer. Und „Unsere Kinder sind unsere Zukunft“ – wie wir auch mit dem Kinderrechteausschuss zeigen, mit dem wir europaweit unter Parlamenten herausstechen und auf den wir stolz sind.
Lassen wir diesen oft gebrauchten Slogan nicht zu einer Floskel werden, aber erweitern wir ihn auch: Kinder sind nicht nur unsere Zukunft, sie sind auch unsere Gegenwart! Nehmen wir das als Ansporn, uns zu fragen, was wir für unsere und die Zukunft unserer Kinder tun können – welche Perspektiven wir unseren Kindern geben können.
Meine Damen und Herren, jede Zeit hat ihre Herausforderungen, und diese werden in unserem Bundesrat manchmal kontrovers diskutiert. Dabei ist mir als Präsidentin aber gerade hier in der Länder-, Europa- und Zukunftskammer wichtig zu sagen: Führen wir die Kontroverse hart aber getragen von gegenseitigem Respekt – im Sinne der Menschen, des Parlaments aber auch der Demokratie als ganzes. Ich möchte an dieser Tradition festhalten und das Gemeinsame über das Trennende stellen.
So heftig im Bundesrat über unterschiedliche Themen diskutiert wird, so oft steht die Notwendigkeit des Bestehens des Bundesrates selbst in Diskussion. Dabei bitte ich Sie eines zu bedenken, der Bundesrat ist Teil des Zwei Kammern Systems, das auf dem Prinzip des Gleichgewichtes fußt. Ein demokratisches System von wohl ausgewogenen „Checks and Balances“im politischen Willensbildungsprozess. Der Bundesrat ist damit für mich als zweite Kammer unerlässlich. Dass das auch die Menschen in Österreich so wahrnehmen, liegt ganz entscheidend an uns allen – die wir hier in diesem Hohen Haus Politik machen, Menschen einladen und Interessen vertreten. Es ist unsere Verantwortung und daran möchte ich heute auch besonders erinnern.
„Ob und wie wir die Herausforderungen unsere Zeit gemeistert haben, wie wir mit ihnen umgegangen sind und ob wir jungen Menschen neue Perspektiven gegeben haben, wird erst in der Zukunft, von den heute jüngsten Mitgliedern unserer Gesellschaft, unseren Kindern, beurteilt werden.“
Nehmen wir diese Herausforderung an, erinnern wir uns an unsere Verfassungsgrundsätze, und lassen Sie uns zum Wohle dieser Republik und zum Wohle der Menschen in diesem Land gemeinsam daran arbeiten.
Auf gute Zusammenarbeit!
Vielen Dank!
Claudia Arpa, 13.07.2023