Das Verhältnis zwischen der slowenischen Volksgruppe und der deutschsprachigen Bevölkerung in Kärnten hat sich in den letzten Jahren stetig verbessert. Von Misstrauen und Hass, der in den Nachkriegsjahrzehnten bis zum Ortstafelsturm in den 70er Jahren die Atmosphäre in Kärnten gründlich vergiftet hat, kann heute keine Rede mehr sein: Aus erbitterten Gegnern wurden in einem langwierigen und durchaus vorurteilsbelasteten Prozess der Annäherung gute Nachbarn und Freunde.
Ich habe immer wieder betont, dass dieser Prozess vor allem deshalb erfolgreich war, weil er nicht von außen aufgesetzt, sondern von den Protagonisten selbst in Gang gesetzt wurde. Ich denke da vor allem an meinen Vorgänger Gerhard Dörfler und den damaligen Vorsitzenden des slowenischen Zentralverbandes, Marjan Sturm, sowie den langjährigen Obmann des Kärntner Heimatdienstes, Josef Feldner, deren Verständigung schließlich zum Durchbruch in der Ortstafelfrage führte. Beide, Sturm und Feldner, kamen aus völlig gegensätzlichen weltanschaulichen Lagern und fanden doch einen Weg, ins Gespräch und zur Versöhnung zu kommen. Das ist, wenn man die Last ihrer Familiengeschichten bedenkt, eine Leistung, die auch in gesellschaftspolitischem Kontext nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
Ich denke aber auch an einen der zähesten Vermittler in der Ortstafelfrage, deren Lösung ja den Beginn der eingangs erwähnten atmosphärischen Verbesserung markierte. Ohne die bestimmte, sachkundige und unaufgeregte Moderation durch den damaligen Staatssekretär Josef Ostermayer wäre der schließlich von beiden Seiten angenommene Kompromiss nicht möglich gewesen. Ohne die Kompromissbereitschaft der Slowenenvertreter Marjan Sturm für den Zentralverband, Bernard Sadovnik für die Gemeinschaft der Kärntner Slowenen und Valentin Inzko für den Rat der Kärntner Slowenen auf der einen, Heimatdienst und Gerhard Dörfler auf der anderen Seite, hätte es die Lösung auch nicht gegeben.
Mit der am 26. April 2011 beschlossenen Beilegung eines über die Jahrzehnte ausgetragenen Konfliktes wurde nicht nur die Aufstellung von 164 Ortstafeln von Neuhaus/Suha im Osten bis Dellach/Dole im Westen unseres Landes beschlossen, sondern eben auch ein Bewusstseinswandel eingeleitet, der unserem gemeinsamen Heimatland Kärnten zum Besseren dient. Viele Barrieren in den Herzen unserer Landeleute wurden beiseite geräumt, viele festgefahren Meinungen und Ansichten revidiert oder zumindest relativiert!
Heute bekennt sich das Land Kärnten zu seiner slowenischen Volksgruppe – hat selbige sogar in der Landesverfassung verankert – und unterstützt konsequent die Verbesserung des Verhältnisses zwischen slowenisch- und deutschsprechenden Kärntnerinnen und Kärntnern. Dies kommt durch zahlreiche Einrichtungen und Maßnahmen zum Ausdruck, von denen ich die wichtigsten nennen darf:
- Eigenes Volksgruppenbüro im Amt der Kärntner Landesregierung
- Betreuung slowenischsprachiger Infoseiten auf der Website der Landesregierung
- Veranstaltung des alljährlichen Europäischen Volksgruppenkongresses in Klagenfurt
- Veranstaltung der alljährlichen Kulturwoche / kulturni teden
- Regelmäßige Sitzungen des Dialogforums unter Vorsitz des Landeshauptmannes
- Einführung einer Staatszielbestimmung zugunsten der slowenischen Volksgruppe in der Kärntner Landesverfassung
- Einführung einer jährlichen Berichtspflicht über die Lage der slowenischen Volksgruppe der Kärntner Landesregierung an den Kärntner Landtag
- Öffentliche Ehrungen bekannter Persönlichkeiten aus der slowenischen Volksgruppe
- Umfassende Einbeziehung der slowenischen Volksgruppe, z.B. auch in die Feierlichkeiten zum 100. Jahrestages der Volksabstimmung über die Zugehörigkeit des zweisprachigen Gebietes zu Kärnten im Oktober 2020
- Europeada 2022 – die Fußball-EM der autochtonen Minderheiten
- Menschenrechtspreis: Beim Amt der Kärntner Landesregierung sind der Menschenrechtsbeirat sowie die Menschenrechtsjury des Landes angesiedelt. In Würdigung besonders herausragender Leistungen für die Menschenrechtsarbeit mit Kärnten-Bezug wird alljährlich der „Kärntner Menschenrechtspreis“ vergeben; dient der Förderung der Menschenrechtsarbeit sowie der Stärkung des Menschenrechtsbewusstseins; wurde mehrmals an Personen und Organisationen aus beiden Volksgruppen vergeben, die sich für das friedliche Zusammenleben engagieren
- Gedenkkultur: Errichtung einer Gedenktafel im Landhaushof (2014) und der Gedenkstätte im Burghof (2015); sowie direkt im Gebäude der Landesregierung (2020); Förderung von Gedenkprojekten wie (Memorial Kärnten-Koroška , Museum Peršmanhof etc); anlassbezogene Vorbereitung und Durchführung von Konferenzen und Gedenkveranstaltungen zu zeithistorischen Ereignissen
- Bewusstseinsbildung gegen Diskriminierung: Kampagnen wie #keinHassimNetz#; die Veranstaltungsreihe Integration on Tour; die überparteiliche Plattform Respekt leben
- Schwerpunkt Elementarbildung – Kinderbildung und –betreuung: Ein besonderer Fokus wurde in den letzten Jahren auf frühe Sprachförderung gelegt. Mittlerweile hat sich die Ansicht der Fachleute, dass Mehrsprachigkeit nicht nur eine kulturelle Bereicherung, sondern auch einen handfesten wirtschaftlichen Standortvorteil darstellt, in weiten Kreisen der Bevölkerung durchgesetzt. Vor allem kommt es dabei auf einen möglichst früh einsetzenden Spracherwerb an: Daher verwenden private zwei- und mehrsprachige Kindergärten schon jetzt verpflichtend ein sprachpädagogisches Konzept. Nach zwei Jahrzehnten eines Qualitätsentwicklungsprozesses wurde im Februar 2022 dieses „Sprachpädagogische Rahmenkonzept zur Förderung zweisprachiger Bildung und Betreuung“ endredigiert und wird nun umgesetzt – ein Meilenstein erfolgreicher Sprachvermittlung für Kinder von 0 bis 6 Jahren.
Davon profitieren (Stand 2021/22) 27 Kindergärten (davon 12 private Einrichtungen) mit Sprachangebot Slowenisch in insgesamt 46 Gruppen und 1.056 Kindern. Zusätzlich gibt es neun Kindertagesstätten und eine Kinderkrippe für Kinder unter drei Jahren, insgesamt 15 Gruppen mit 227 Kindern. Daneben gibt es sechs Horte mit zweisprachigem Angebot in 13 Gruppen für 250 Kinder: Insgesamt werden 1.533 Kinder mit slowenischem Sprachangebot gebildet und betreut.
- Landesförderung: Alle Einrichtungen werden vom Land gefördert (Gesamtförderung 2021: 3, 47 Mio. Euro). Darin enthalten sind jene 12 privaten Einrichtungen, die zusätzlich zum Landesbeitrag von 662.825 Euro auch die Förderung im Rahmen des Kindergartenfondsgesetzes in Höhe von 862.492 Euro erhalten. Weitere 31 Einrichtungen mit slowenischem Sprachangebot erhalten den Landesbeitrag von 2,8 Millionen Euro.
- Schwerpunkt Schulbildung: In den Allgemeinbildenden Pflichtschulen wurde 2021/22 an 55 Volksschulen und 17 Mittelschulen zweisprachiger Unterricht/Slowenisch-Unterricht angeboten. Im örtlichen Geltungsbereich wurden insgesamt 4.157 SchülerInnen an Volksschulen unterrichtet, davon 1.956 (47,05 Prozent) zum zweisprachigen Unterricht angemeldet. Eingerechnet der Allgemeinbildenden und berufsbildenden höheren Schulen nahmen im Geltungsbereich des Minderheitenschulgesetzes 2021/22 insgesamt 3.921 (2020/21: 4.072) SchülerInnen am Slowenisch-Unterricht teil.
- Maßnahmen zur Weiterentwicklung der zweisprachigen Bildung: Um eine weitere positive Entwicklung des slowenischen Bildungsangebotes zu ermöglichen, wurden folgende Projekte prioritär gesetzt: Digitales Lernen im Slowenisch-Unterricht, Grundkompetenz Lesen in Slowenisch auf der Primarstufe, Entwicklung einer Handreichung für die durchgängige zweisprachige Bildung, Erhöhung der kommunikativen Kompetenz der Schülerinnen und Schüler der zweiten Schulstufe in der Volksgruppensprache, Qualifikation für die elementarpädagogische Arbeit in den zweisprachigen Kinderbetreuungseinrichtungen Kärntens. Alle Projekte werden von professionellen Arbeitsgruppen erarbeitet und betreut, umgesetzt und evaluiert.
- Unterstützung vom Bund dringend gefordert: Die Bundesregierung bekennt sich im Regierungsprogramm 2020 – 2024 u.a. zur „Neukodifikation der verfassungsrechtlichen Bestimmungen zu Volksgruppen (u.a. Bekenntnis zu Minderheitenschulwesen, Minderheitensprachen und Topographie)“]…[ und der „Bund bekennt sich zu Gesprächen mit den Ländern und Gemeinden mit dem Ziel, die nötigen Finanzierungsmittel wirkungsorientiert (Qualitätssicherung in der Bildungsgruppe) gemeinschaftlich bereitzustellen, damit die Errichtung, Erhaltung und Förderung zwei- und mehrsprachiger Kindergärten der Volksgruppen sowie sonstiger frühkindlicher Betreuungsangebote gewährleistet ist.“ Auch das Angebot des slowenischsprachigen Bildungsangebotes in Vorbereitung auf den Schuleintritt (vor allem im Geltungsbereich des Minderheitenschulgesetzes) bedarf der Unterstützung des Bundes: Bildung in der Muttersprache ist Volksgruppenrecht und daher ist auch der Bund zuständig einen gesetzlichen Rahmen für den Bereich vorzulegen.
- Die Resolution Art. 15a B-VG Vereinbarung über die Elementarpädagogik zielt einerseits auf eine kurzfristige finanzielle Erleichterung ab und soll auf eine explizite Sprachförderung der Volksgruppensprache (BM Raab spricht sich grundsätzlich dafür aus, aber will die Finanzierung nur über den „Entwicklungsstand“, der sich ua auf die Mehrsprachigkeit bezieht) Die geltende 15a- Vereinbarung ist in Bezug auf Mehrsprachigkeit sehr allgemein abgefasst und enthält keine konkreten Ziele, Maßnahmen oder Indikatoren hierzu. Die zweckgewidmete Mittelverwendung des Bundeszuschusses hierzu ist kaum und wenn dann beschränkt und nur im geringen Maße möglich. Eine gleichberechtigte Sprachförderung der Volksgruppensprache unter dem Titel Entwicklungsstand (ua Mehrsprachigkeit) in Vorbereitung auf den zweisprachigen Unterricht im Minderheitenschulbereich ist nicht möglich.
Mit der Resolution wird der Bund auch aufgefordert, die zweisprachige Ausbildung von Elementarpädagoginnen einzurichten (derzeit erfolgt nur ein Sprachunterricht im Ausmaß von 2 bzw 4 Wochenstunden). Es fehlt sprachlich qualifiziertes Personal. Ein zweisprachiges Modul mit zweisprachigem Unterrichtsangebot sollte sowohl auf der Pädagogischen Hochschule als auch auf der Bundesanstalt für Elementarpädagogik Das ist alleinige Zuständigkeit des Bundes.
Dies bisher gesetzten Maßnahmen sind nicht als abgeschlossenes Paket zu verstehen, sondern verstehen sich als in die Zukunft gerichtet. Intensiviert werden soll in:
- Digitales Lernen im Slowenisch-Unterricht
- Grundkompetenz Lesen in Slowenisch auf der Primarstufe
- Entwicklung einer Handreichung für die durchgängige zweisprachige Bildung
- Erhöhung der kommunikativen Kompetenz der Schüler und Schülerinnen der 2. Schulstufe in der Volksgruppensprache
- Qualifikation für die elementarpädagogische Arbeit in der zweisprachigen Kinderbetreuungseinrichtungen Kärntens
Zusätzlich geplant und in den kommenden Jahren umgesetzt werden sollen:
- Informationsoffensive zur Erhöhung der Studierendenzahl für die Sekundarstufe I
- Slowenisch in der Sommerschule
- Lehrplanentwicklung
- Schuleingangsscreening
- Erarbeitung standortspezifischer pädagogischer Konzepte an Mittelschulen im Bezirk Völkermarkt
Ein besonderes Augenmerk gilt der Slowenischen Musikschule/Glasbena šola:
Nach turbulenten Jahren ist die SchülerInnenzahl ist im Vergleich 2020/21 auf 2021/22 wieder gestiegen. An der Glasbena šola waren im Jahr 2021 19 Lehrkräfte und eine Sekretariatskraft beschäftigt, eine Lehrkraft der Musikschule Klagenfurt wurde für 3,9 Unterrichtseinheiten/Woche der Glasbena šola zugeteilt. Davon abgesehen hat sich der Beschäftigtenstand gegenüber dem Vorjahr nicht verändert. Im Schuljahr 2020/2021 besuchten 389 Schüler und Schülerinnen die Glasbena šola, im Schuljahr 2021/2022 sind 450 Schüler*innen eingeschrieben. Die Steigerung ergibt sich vorwiegend aus dem Angebot im Bereich der Elementaren Früherziehung, die Schülerzahl ist hier von 15 auf 62 gestiegen.
Kulturförderung:
Die Kulturförderung an slow. Kulturvereine ist von 2020 auf 2021 leicht gestiegen und betrug 119.700,– Euro, an Kulturinstitutionen mit hohen bzw zweisprachigen Programmanteil stieg ebenso und betrug 2021 457.245,–Euro; ebenso hat sich der Fördersumme für Preise und Stipendien erhöht und betrug 2021 44.300,– Euro. Darüberhinaus wurden auch noch Fördermittel im Rahmen von Carinthija 146.076,– Euro und des Kulturjahres des VGB 46.208, 51 Euro für Förderungen und Veranstaltungen ausbezahlt und finanziert.
Sportförderung:
Im Jahr 2021 haben aus der allgemeinen Sportförderung, die keine spezifische Volksgruppenförderung für Sportvereine der Volksgruppe ist, 9 slowenische Sportvereine mit Zugehörigkeit zum Slowenischen Sportverband Sportförderungen in der Höhe von ca. € 150.000,- erhalten.
Die Durchführung der EUROPEADA 2020 ̶ Fußball-EM der Volksgruppen in Kärnten, musste covidbedingt verschoben werden und fand zwischen 25. Juni und 3. Juli 2022 statt. Die FUEN (Förderalistische Union Europäischer Volksgruppen) ist Träger der EUROPEADA. Das Land Kärnten hat dem Verein EUROPEADA für die Koordination, Organisation und Durchführung der EUROPEADA einen Zuschuss in Höhe von max. € 300.000,- aufgeteilt auf mehrere Tranchen gewährt. Die Auszahlung der letzten Tranche von 120.000,– Euro erfolgt nun nach Durchführung der EUROPEADA.
Wissenschaft, Forschung, regionale Entwicklung und grenzüberschreitenden Kooperation:
Von den 13 Interreg/ETZ Projekten in der Programmperiode 2014 bis 2020 wurde 2021 noch SmartTourist umgesetzt.
Im Rahmen des Geopark Karawanken (EVTZ) wurde 2021 das Projekt NaKult abgeschlossen. Zudem setzt sich der EVTZ Geopark, gemeinsam mit dem slowenischen Institut für Geologie und der FH Kärnten/UNESCO-Lehrstuhl für Naturschutzgebiete für eine effektvolle und nachhaltige Wassernutzung ein. Mit dem Projekt „KaraWAT“ werden die vorkommenden Thermal- und Mineralwasservorkommen der Region untersucht, kartiert und entsprechende Nutzungskonzepte dazu entwickelt. Für die Projektlaufzeit von 1. Jänner 2021 bis 31. August 2022 waren EU-Förderungen von rund € 296.000,- vorgesehen.
Peter Kaiser, 7.1.2023