Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen – Licht und Schatten

Blogartikel von LH Peter Kaiser
Nun haben wir also … nein, nicht den Salat, aber … eine neue Bundesregierung. Die dritte innerhalb von nur 2 Jahren.Man darf gespannt sein, wie sich die Arbeit der beiden Koalitionspartner ÖVP und Grüne tatsächlich gestaltet, und ob am Ende die von vielen Kommentatoren und Analysten zitierten „bitteren Pillen“, die Sebastian Kurz seinem Gegenüber Werner Kogler zu schlucken gab und gibt, am Ende nicht zu einer gefährlichen „Überdosis“ für die Grünen und für die Österreicherinnen und Österreicher werden.
Anders als andere PolitikerInnen halte ich persönlich jedenfalls Nichts davon, mit dem vor allem für Populisten a la FPÖ typischen Beißreflex ohne jede Konstruktivität auf ein vorgelegtes Regierungsprogramm zu reagieren.

Wo Licht ist, ist auch Schatten

Natürlich sehe ich viele Dinge des Regierungsprogramms kritisch – wo Licht ist, ist auch Schatten. So verhält es sich auch beim Programm von ÖVP und Grünen. Positive Ansätze wie der Ausbau von „Kinderbetreuungsplätzen“, wieder angekündigten Klimaschutzmaßnahmen, neuen PflegeangebotenErhöhung des Familienbonus und ein paar andere Dingen auch im Bereich der Bildung haben entweder auch eine Kehrseite der „Medaille“ oder werden von fehlender Finanzierungsdarstellung und aus meiner Sicht für das Gesamtwohl der österreichischen Bevölkerung falschen Maßnahmen konterkariert.

Bildung und –Betreuung

Dass zB immer „nur“ von Kinder“BETREUUNG“ und nicht wie bei uns in Kärnten von Kinder“BILDUNG UND –BETREUUNG“ und von „Elementarpädagogik“ gesprochen bzw. geschrieben wird, zeigt allein schon das dahinterstehende Weltbild – Worte und Sprache sind Spiegelbild der politischen Einstellung – längst sind Kindergärten, Horte usw mehr als nur Aufbewahrungsplätze für unsere Kinder!

Klimaschutzmaßnahmen

Oder: Dass dringend notwendige Klimaschutzmaßnahmen auf die lange Bank, sprich ins Jahr 2022 verschoben werden, ist für mich kein Zeugnis besonderer Ernsthaftigkeit. Der völlige Verzicht auf das Verursacherprinzip gegenüber Konzernen, die naturgemäß weit mehr zur Klimabelastung beitragen als Einzelpersonen ist mir völlig unverständlich.

Die Pflege

Licht und Schatten sehe ich auch bei einigen angekündigte Maßnahmen im Bereich der Pflege. Die von ÖVP-Grüne so bezeichneten „Community nurses“ dürften wohl von den in Kärnten bereits um- und eingesetzten PflegekoordinatorInnen, unseren „Kümmerern“ (kümmern sich um die individuell besten Pflegemaßnahmen in Gemeinden) abgekupfert worden sein. Anstatt aber die beste Pflege unserer Mütter, Väter, Großeltern seitens des Staates zu garantieren, soll eine neue Belastung in Form einer Pflegeversicherung kommen.
Auch die angekündigte Pflegelehre wird von allen Experten mehr als kritisch betrachtet – 14jährige werden so vor eine unnotwendige und für viele nicht schaffbare psychische und physische Herausforderung gestellt. Positiv hingegen sehe ich die Ankündigung zusätzliche Ganztagesschulangebote zu schaffen.

Pädagogik

Dass Klimaschutz ein eigenes Unterrichtsfach werden soll – naja, die Bewusstseinsbildung für dieses so wichtige Thema könnte wohl auch in bestehende Fächer und fachübergreifend integriert werden.
Dass digitale Endgeräte (Laptops) irgendwann allen Schülerinnen und Schülern zur Verfügung gestellt werden sollen – schön und gut: Allerdings fehlen mir konkrete Maßnahmen, wie in den Lehrplänen für die digitale Zukunft unserer Kinder notwendige neue Inhalte wie „Coding“ umgesetzt und vor allem wie die Ausbildung der Pädagoginnen und Pädagogen diesbezüglich erneuert bzw ergänzt werden soll.

Ungleichbehandlung

Wie vor allem die ÖVP ideologisch tickt, wird einmal mehr am Beispiel des Familienbonus sichtbar: Ja, viele werden sich bei der Ankündigung, dass selbiger angehoben wird freuen. Aber, dass Gut und Sehr gut-Verdienende Eltern künftig 1750 Euro für ein Kind, das Kind einer schwer arbeitenden geringverdienenden Alleinerzieherin aber nur 350 Euro erhalten soll, ist eine für mich inakzeptable, unsoziale Maßnahme – eine Geringschätzung. Als ob das Kind der Alleinerzieherin 5 Mal weniger Sachen zum Anziehen, 5 Mal weniger zu Essen braucht? Aber das entspricht der ÖVP-Denke: Nur Leistung in Form von entlohnter Arbeit zählt, jede und jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.
Dass dies in keinster Weise der Lebensrealität unzähliger Österreicherinnen und Österreicher entspricht, ist eine Tatsache. Umso enttäuschender, dass Werner Kogler und die Grünen diese Ungleichbehandlung trotzdem mittragen.
Auch das Herausschälen des Arbeitsmarktservice (AMS) als wichtigste Unterstützungsservicestelle, um Menschen in bezahlte Beschäftigung zu bringen, stellt für mich eine Entkoppelung dar, deren Sinnhaftigkeit sich nicht erklären lässt – außer mit parteipolitischen Motiven!

An ihren Taten messen

Dieses Wechselspiel von Licht und Schatten zieht sich durch alle Bereiche des von ÖVP und Grünen präsentierten Regierungsprogramms.
Allein, diese ÖVP-Grüne-Bundesregierung wird an ihren Taten zu messen sein. Daran, wie sie mit jenen umgeht, die auf Solidarität und Unterstützung angewiesen sind – die Stärke einer Regierung zeigt sich im Umgang mit Schwächeren -, daran, wie sich nicht nur das Leben der jetzt in Österreich lebenden Menschen verbessert, sondern auch daran, welche Weichen für die Zukunft unserer Kinder und nachfolgender Generationen gestellt werden. Daran, ob der Sozialstaat finanzierbar bleibt, oder, ob er, wie tendenziell unter ÖVP-FPÖ, zurückgefahren wird!

Und die SPÖ?

Was die SPÖ betrifft, so ist ihre Rolle aus meiner Sicht glasklar: Sie muss die Bundesregierung bei guten Maßnahmen und Vorschlägen, wie sie – wie ich oben versucht habe zu zeigen – durchaus auch im Regierungsprogramm zu finden sind, unterstützen, dort wo vor allem sozialer und demokratischer Verbesserungsbedarf da ist, die Regierung mit konstruktiven Vorschlägen konfrontieren, und dort, wo ÖVP und Grüne die für die Österreicherinnen und Österreicher falsche Richtung einschlagen harte, kantige und verständliche Oppositionsarbeit leisten. Außerdem muss die SPÖ selbst entsprechende Lösungen und Antworten auf Zukunftsfragen erarbeiten, wie wir beispielsweise gerade mit Birgit Gerstorfer gemeinsam für „die Zukunft der Arbeit“ dabei sind, den Begriff Arbeit vom Begriff Lohnarbeit zu entkoppeln, neu zu definieren und Lösungen für die sich durch die Digitalisierung verändernde Arbeitswelt zu erarbeiten.

Auf Augenhöhe

Meine Hand für eine konstruktive Zusammenarbeit mit der neuen Bundesregierung ist ausgestreckt. Eines fordere ich jedoch unmissverständlich ein: Kooperationen, Konfliktaustragungen und Diskussionen zwischen Parteien, Opposition und Regierung oder Bund und Ländern/Gemeinden muss möglichst respektvoll und jedenfalls auf Augenhöhe stattfinden!
Peter Kaiser, 8.1.2020